Wer bist du?

Anfang Dezember wurde Martin zur neurologischen Früh-Reha in die Schön Klinik Bad Aibling Harthausen verlegt.

Für mich änderte sich vorläufig nicht viel. Anstatt über eine Stunde nach München zu fahren, fuhr ich jetzt über eine Stunde nach Bad Aibling um meinen Mann zu besuchen.

Zumindest musste ich am Wochenende nicht erst die Kids in der Gegend herumkutschieren, meine Familie holte sie an der Klinik ab und ich fuhr am Ende der Besuchszeit zu meiner Mama oder meinem Zwillingsbruder um die Kids mit nach Hause zu nehmen.

Langsam tauchte Martin auch immer weiter aus dem Koma an die Oberfläche auf. Mitte Dezember, ich besuchte Martin mit meinem Zwillingsbruder, hatte er die Augen komplett geöffnet und verfolgte unser Gebabbel aufmerksam. Ab und zu huschte sogar ein Lächeln über seine Lippen.

Nachdem mein Bruder gefahren war und ich mich auch von Martin mit einem Kuss verabschieden wollte, guckte er mich mit zusammen gekniffenen Augen, fast schon böse, an.

Diese Reaktion verwirrte mich und einer inneren Stimme folgend, fragte ich ihn spontan ob er eigentlich wisse wer ich sei. Er verneinte mit gerunzelter Stirn und einer leichten Kopfbewegung. Jetzt war ich total perplex. Erneut fragte ich ob er echt nicht wisse wer ich und der Mann vorhin seien und wieder verneinte er.

Logisch das er komisch guckte, wenn ihn eine fremde Frau plötzlich küsste.

Ich lächelte und sagte: „So du kennst mich also nicht“… er guckte entschuldigend…

„Na dann wirst du mich jetzt kennenlernen!“

Ich setzte mich wieder zu ihm, nahm seine Hand und fing an zu erzählen:
mein Name ist Christine Bien. Ich bin seit 7 Jahren deine Frau, wir haben ein 6 jähriges Zwillingspärchen und ich aus erster Ehe noch zwei ältere Jungs, wobei nur einer bei uns wohnte. Das vorhin war mein Zwillingsbruder, also dein Schwager usw…

Martin lauschte sehr aufmerksam meiner Erzählung und stimmte am Ende lächelnd mit dem Kopf nickend zu.

Ich fragte ihn ob er sich erinnert, was er verneinte.

Dann fragte ich ob das Nicken bedeutet, das ich als seine Frau genehmigt wurde.
Er grinste und bejahte.
„Hätte schlimmer sein können oder?“ Er grinste wieder und nickte heftig mit dem Kopf.
Zum Schluss fragte ich, ob ich ihm noch einen Abschiedskuss geben dürfte und wieder nickte er heftig.

Wochen später als seine Erinnerungen zurück gekehrt waren, entschuldigte er sich immer wieder bei mir. Für ihn war es furchtbar, dass er sein Liebstes auf der Welt nicht erkannte. Ich finde diese Geschichte noch immer total süß und witzig. Alleine dieses zustimmende Nicken, die -du bist genehmigt- Geste zaubert mir noch nach Jahren ein Lächeln auf die Lippen.

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