Schock auf der Intensiv
Kurz vor Weihnachten 2009 begleitete mich eine meiner Schwägerinnen auf die Intensivstation der neurologischen Klinik.
Ich kannte den Tür-Code und marschierte schnurstracks ins Zimmer meines Mannes, um vor seinem leeren Bett zur Salzsäule zu erstarren. Zurück auf dem Flur eilte eine Schwester auf uns zu und ich fragte sie, wo den mein Mann sei. Sie fragte um wen es sich handelte und ich sagte ihr den Namen und zeigte auf das frisch gemachte, leere Bett.
„ Einen Moment bitte“ und sie eilte zu einer anderen, etwas entfernten Schwester. Beide sprachen leise miteinander und blickten mehrfach zu uns rüber.
Plötzlich zog sich der ganze Flur in die Länge und meine Schwägerin musste mich stützen, sonst wäre ich in die Knie gegangen. Mir wurde kotzübel und ich lehnte mich an die Wand um mehr Halt zu haben. Als sie mit einem lächeln zurück kam und uns mitteilte das Martin am Morgen auf Normal-Station verlegt wurde, hätte ich sie am liebsten abgeknutscht und gewatscht gleichzeitig.
Runter auf die andere Station und nach meinem Mann gefragt. Wir wurden zu ihm ins Zimmer gebracht. Da lag er wie ein Häufchen Elend im Bett und ich konnte an seinem Gesichtsausdruck erkennen das irgendwas nicht in Ordnung war. Er wollte mir ständig etwas sagen, ja schrie mich regelrecht an. Da er aber noch immer eine Trachealkanüle hatte, kam kein Ton aus seinem Mund.
Das machte ihn noch verwirrter und wütender und er versuchte aus dem Bett aufzustehen.
Auch das gelang ihm kein bisschen, da ihm seine linke Seite nicht gehorchte und es sah für mich und meine Schwägerin einfach nur furchtbar aus. Seine verzweifelten Versuche sich aufzurichten und mitzuteilen.
Ich glaube das war das erste Mal das ihm Bewusst wurde, das sein Körper ihm nicht mehr gehorchte. Allerdings konnte er es überhaupt nicht einordnen und drehte fast durch. Ich rief einen Pfleger und wir mussten kurz das Zimmer verlassen.
Das war für meine Schwägerin zu viel. Sie verabschiedete sich sehr schnell und weinte im Auto erst eine ganze Weile, bevor sie sich soweit gefasst hatte, das sie nach Hause fahren konnte. Es dauerte Wochen bis sie mich wieder ins Krankenhaus begleiten konnte.